07. September 2012 - nein, ausschlafen konnten wir auch an diesem vierten Tag der Reise nicht. 630 Uhr klopfte uns Pak In-chol mit dem Hinweis, dass das Frühstück bereit stehe, aus dem Schlaf. Prinzipiell war es ja durchaus lobenswert, dass unsere Gastgeber ein so umfangreiches Programm für uns zusammengestellt hatten. Wenn es in diesem Tempo weiterging, dann würden wir wohl in Kürze das ganze Land gesehen haben - quasi im Vorbeiflug. Doch was hatten wir bisher eigentlich wirklich zu sehen bekommen ? Jede Menge Kultstätten der geliebten Lenker und Führer der Nation, einen Vorzeigebetrieb, von dem wir nicht so recht wussten, warum er uns überhaupt gezeigt worden war, ein Ferienheim in dem man uns möglichst fern von den einheimischen Urlaubern gehalten hatte, ein wunderschönes Stück Natur und ein paar wirklich sehenswerte historische Bauten, die jedoch allesamt zum Zeitpunkt unseres Besuches zufälligerweise vollkommen frei von lokalen Besuchern gewesen waren. War dies das echte Nordkorea ? Schwer zu sagen. Klar, je schneller man uns von Ziel zu Ziel hetzte, desto weniger Zeit blieb für einen kritischen zweiten Blick oder für nicht genehme Fragen. Doch darauf schien es unseren Gastgebern gar nicht wirklich anzukommen. Man hätte uns den Betrieb oder das Ferienheim ja auch ganz einfach vorenthalten können. Nein, wir sollten das alles sehen. Es ging immer nur darum, Kontakte zur „normalen” Bevölkerung zu unterbinden. Aber warum hatten unsere Gastgeber eine so große Angst vor ein paar gewechselten Worten ? Sollte uns etwas verheimlicht werden ? Sicherlich, aber auch das schien eher zweitrangig zu sein. Dank des Einflusses unserer westlichen Medien konnten die meisten Dinge, die wir hier hörten und sahen, das Image Nordkoreas eher verbessern denn verschlechtern. Also ging es vor allem darum, uns keine Gelegenheit zu geben, Dinge zu erzählen, von denen die Bevölkerung aufgrund der strengen Isolation nichts wusste, respektive nichts wissen sollte - Fakten, wie beispielsweise den Zusammenbruch des gesamten ehemaligen Ostblocks ?! Wenn dem so war, dann versprach der heutige Tag recht interessant zu werden, denn wie wir gestern auf der Herfahrt erfahren hatten, stand für den Nachmittag der Besuch in einem Dorf auf dem Programm - und zwar einschließlich einer Übernachtung bei verschiedenen Gastfamilien (auch wenn diese garantiert handverlesen, loyal und bestens auf unseren Besuch vorbereitet waren). Doch zunächst einmal sollte es hinaus in die Natur gehen ...
Wie Pak In-Chol es angekündigt hatte, stand das Frühstück - es gab frisches Brot, Rührei, Fisch, verschiedene Sorten Kimchi, gedünstetes Gemüse und Reis, dazu Tee und Kaffee - bereits in der Kantine der Herberge bereit. Zum allgemeinen Erstaunen saßen die Finnen schon wieder - oder immernoch ? - an den Tischen ... und tranken Bier ! Irre - wie lange würden die ihre nächtelangen Trinkfestspielen wohl noch durchhalten ? Erfreulicherweise konnten wir uns zum ersten Mal auf dieser Reise für das morgendliche Mahl etwas mehr Zeit nehmen, um die in vielen kleinen Schüsseln gereichten Spezialitäten in Ruhe durchzuprobieren. Zugegebenermaßen waren Fisch, Reis und Kimchi um diese Tageszeit etwas gewöhnungsbedürftig, aber eigentlich gar nicht mal so übel ...
Kaum hatten wir das Frühstück beendet, drängten unsere Reiseleiter auch schon wieder zum Aufbruch. Mitsamt unserer Habseligkeiten - die nächste Nacht wollten wir ja bekanntermaßen in einem Dorf irgendwo am Rande des Chilbo-Gebirges verbringen - bestiegen wir wenige Minuten später unseren Reisebus. Ohne Verzug setzte sich dieser kurz darauf in Bewegung und nahm Kurs auf „Inner Chilbo”, den zentralen Teil des unter Naturschutz stehenden Chilbo-san. An Bord des Busses begrüßte uns ein neuer Mitfahrer der uns als lokaler Führer vorgestellt wurde und der sich alsbald als besonders scharfer Aufseher entpuppte, gegen den unsere eigentlichen Reisebegleiter beinahe schon liberal wirkten. So durften wir unterwegs weder die Fenster des Busses öffnen noch irgendwelche Bilder von der wirklich sehenswerten Landschaft schießen. Dabei gab es draußen wahrhaftig nichts was irgendeine Art von Zensur auch nur ansatzweise gerechtfertigt hätte. Fragen nach dem Sinn der für uns nicht nachvollziehbaren Verbote wurden mit Verweis auf „die Regeln” kurzerhand abgebügelt. Stattdessen lernten wir während der knapp halbstündigen Fahrt wahrscheinlich jeden Ort, jeden Felsen kennen, an dem Kim Il-sung oder Kim Jong-il einmal gestanden oder hingeschaut hatten. Nebenbei gab's immerhin noch ein paar halbwegs interessante Fakten über die Geologie und die Geschichte des Gebietes.
Fortsetzung folgt ...
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