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Nordkorea / China 2012


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 ... Im Reich des Kim Il-sung ...
 - Paektu-san und Samjiyŏn - Tag 3 -

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06. September 2012 - genau wie tags zuvor riss uns das Zimmertelefon 530 Uhr aus dem Schlaf. Dank der Ankündigungen von Mäng Kyong-nam waren wir diesmal allerdings vorbereitet. Es galt keine Zeit zu vertrödeln, denn in etwas mehr als zwei Stunden sollte bereits unsere Maschine Richtung Samjiyŏn starten. Die Morgentoilette fiel entsprechend kurz aus und auch das Frühstück - heute im „Großen Frühstückssaal” des Hotels - war zeitlich streng limitiert. Zur allgemeinen Überraschung wurden wir nach dem Essen aufgefordert, alles Notwendige für eine Dreitagestour einzupacken und unsere restlichen Habseligkeiten vor der Abfahrt im Gepäckraum des Yanggakdo zu deponieren. Eine AN-24 am Flughafen SamjiyŏnDie Reise in den Norden des Landes sollte also mehr als nur ein kurzer Abstecher werden - sehr gut !

Knapp anderthalb Stunden nach dem Weckruf rollte unser Reisebus durch den zum Glück nicht besonders dichten morgendlichen Straßenverkehr Pjöngjangs in Richtung Flughafen - mit an Bord waren auch wieder die Finnen, denen man die zweite lange Nacht im Hotelrestaurant überdeutlich ansah. Am Flughafen ging diesmal alles ganz schnell - nach minimalen Sicherheitskontrollen durften wir auf das Vorfeld und zu Fuß weiter zur bereits auf uns wartenden Maschine. Zur Freude unserer Flugzeugliebhaber stand eine Antonow AN-24 - ein echter Oldtimer der Lüfte - für das vor uns liegende Abenteuer bereit. Nach den obligatorischen Fotos, die unseren eh schon verspäteten Abflug um einige weitere Minuten verzögerten, und den unvermeidlichen Sicherheitsbelehrungen an Bord erhob sich die Antonow 809 Uhr heftigst vibrierend und ohrenbetäubend brummend in den fast wolkenlosen Himmel über Pjöngjang. Wie schon beim ersten Flug befand sich außer unserer kleine Gruppe, unseren offiziellen Reisebegleitern und der Crew kein weiterer Passagier an Bord - was für ein unglaublicher Aufwand für eine Handvoll Touristen !

Mit dem Bus durch das Changbaek-GebirgeDer Flug verlief ruhig - zumindest was die Fortbewegung der Maschine betraf. Das laute Brummen der beiden Turboprop-Triebwerke war dagegen infernalisch. Die Flugroute führte zuerst über verhältnismäßig ebenes, zumeist landwirtschaftlich genutztes Terrain mit zahlreichen kleinen Ortschaften, später fast nur noch über bewaldetes, kaum besiedeltes Bergland. Nach etwas mehr als einer Flugstunde leitete der Pilot den Sinkflug ein. Um 923 Uhr setzte die Maschine sicher auf der Rollbahn des Flugplatzes Samjiyŏn auf. Die Landebahn schien mitten im Wald zu liegen - von der mutmaßlich in der Nähe befindlichen Ortschaft gleichen Namens bekamen wir vorerst nichts zu sehen. Ohne größeren Aufenthalt ging es in zwei kleinen Bussen weiter. Auf schmalen, anfangs gut geteerten, später geschotterten Pisten fuhren wir durch ausgedehnte Birken- und Nadelwälder immer weiter hinauf in die Bergwelt des Changbaek-Gebirges.
Wasserfall
1045 Uhr, die bewaldete Ostflanke des Changbaek-san lag hinter, eine mit spärlichen Gräsern und vereinzelten niedrigen Büschen bewachsene Hochebene vor uns. In der Ferne ragte bereits unser Ziel, der grau-braune, etwas eingedellt wirkende Kegel des Vulkans Paektu-san, in den blassblauen Himmel. Dank unserer inzwischen schon wieder sturzbetrunkenen finnischen Freunde, deren Reisegepäck vor allem aus mehreren Rucksäcken voller Bier- und Schnapsflaschen bestand, und die dringen frische Luft und vor allem festen Boden unter den Füßen brauchten, verordneten uns Cha Man-song und seine beiden Kollegen eine auch für den nüchternen Teil unserer Gruppe willkommene Pause. Während wir uns ein wenig die Füße vertraten, gesellten sich unsere beiden Busfahrer zu uns, übergingen aber (lag es an den fehlenden Sprachkenntnissen oder an der steten unauffällig-auffälligen Präsenz unserer staatlichen Reisebegleiter ?) alle unsere Kontaktversuche mit einem freundlichen, aber nichtssagenden Lächeln. Genau wie bei ausnahmslos allen anderen Nordkoreanern, denen wir in den vergangenen drei Tagen begegnet waren, zierte auch bei unseren Fahrern ein rotes Abzeichen die Jacken - beim ersten war darauf das Konterfei von Kim Il-sung, beim zweiten sogar die Porträts beider Superstars des nordkoreanischen Polit-Himmels abgebildet. Es gab offensichtlich etliche verschiedene Varianten dieser Anstecker - doch was hatten sie eigentlich zu bedeuten ? Standen sie für die Mitgliedschaft in der Kommunistisch Partei bzw. der Partei der Arbeit Koreas, wie selbige hier hieß ? Oder handelte es sich um eine Art Rangabzeichen ? Schnell wurde offenbar, dass sich auch schon einige der anderen Mitglieder unserer Gemeinschaft diese Frage gestellt hatten - und Thomas, Unsere Busfahrerder Devotionalien wie diese als Reiseandenken schätzte, hatte bereits feststellen müssen, dass es nahezu unmöglich war, ein solches Abzeichen käuflich zu erwerben. Ich fragte kurzerhand Pak In-chol, den schweigsamsten unserer Aufpasser, der gerade eben das Pech hatte, in unsere Nähe zu stehen. Die Frage brachte ihn offensichtlich in Verlegenheit, denn statt einer klaren Antwort kamen eher ausweichende Phrasen von Respekt und Hochachtung gegenüber den Führern der koreanischen Nation, die jeder Bürger des Landes mit diesen Plaketten zum Ausdruck bringen wollte - überzeugend klang das nicht, doch der Ruf zur Weiterfahrt erlöste Pak von weiterführenden Fragen, zumindest vorerst !

Eine gute Halbestunde später erreichten wir unser erstes Tagesziel - den hoch über uns aufragenden Kegel des Vulkans Paektu-san. Schon von weitem war uns eine weiße, aus riesigen koreanischen Lettern bestehende Inschrift am oberen Teil des mächtigen Berges aufgefallen, die Herr Mäng bei unserer Ankunft bereitwillig übersetzte: „Paektu-san, heiliger Berg der Revolution. Kim Jong-il, 16. Februar 1992” stand da geschrieben - ein, wie wir gleich noch mit erfuhren, „Geschenk des dankbaren Volkes” anlässlich des 50. Geburtstages seines geliebten Führers. Naja ... Wachsoldaten am Paektu-sanUnweit des Parkplatzes, auf den wir hielten, führte eine Bergbahn hinauf zum Kraterrand, doch die schien gerade nicht in Betrieb zu sein. Alternativ gab es eine schmale gepflasterte Straße, die sich in vielen Serpentinen den Berg empor wand. Die Straße sei für den Autoverkehr gesperrt erfuhren wir, der Weg nach oben müsse per Pedes zurückgelegt werden. Das klang nach der stundenlangen Fahrerei eigentlich gar nicht so übel - auch wenn dieser Weg noch verflixt weit aussah. Egal ! Vorbei an einer Handvoll mit Kalaschnikows bewaffneter Soldaten machten wir uns an den Aufstieg. Unsere nordkoreanischen Begleiter blieben zu unser aller (sehr angenehmen) Überraschung am Bus zurück. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft in Nordkorea durften wir uns frei und scheinbar unbewacht bewegen - auch wenn der Weg zum Gipfel des Paektu-sans wohl eher wenig echten Freiraum ließ. Es war schon irgendwie erstaunlich, wie sehr so ein Gefühl von Freiheit, und sei sie auch noch so klein, einen jeden von uns nach gerade einmal drei Tagen unter Daueraufsicht beglücken konnte. Entsprechend gut gelaunt zogen wir los, um möglichst schnell aus dem Sichtfeld unserer Aufpasser zu entkommen.

Unterwegs zum GipfelUnser Freigang währte derweil nicht allzu lang. Wir hatten noch nicht einmal die Hälfte des Anstiegs bewältigt, als hinter uns das Brummen eines Motors die Stille der Bergwelt störte. Kurz darauf holte uns einer unserer beiden Busse ein. Sichtlich stolz verkündete Herr Cha, unser Reiseleiter, man hätte die Wachen überreden können, für die Durchfahrt der Busse beide Augen zuzudrücken. Zur Enttäuschung unserer nordkoreanischen Begleiter hielt sich unsere Begeisterung ob der überraschenden Wendung stark in Grenzen - zumal wir für den ungewollte Fahrservice zum Gipfel auch jeder noch zwei Euro löhnen sollte. (Das war wahrscheinlich der Preis für’s Augen-zudrücken der Wachsoldaten.) Was soll’s. Schneller als gedacht erreichten wir knapp zehn Minuten später den Kraterrand, von dem sich uns ein spektakulärer Blick über weite Teile des Changbaek-Gebirges und vor allem über den den riesigen Krater des Paektu-san ausfüllenden „Himmelssee” bot. An einem großen Gedenkstein erwartete uns bereits eine Soldatin der nordkoreanischen Armee. In hervorragendem Englisch wurden wir auf dem „Gipfel der Revolution” willkommen geheißen - auch wenn wir genau genommen noch gar nicht auf dem Gipfel waren. Eine Soldatin auf dem Paektu-sanSelbiger überrage unseren Standort wohl um gut-und-gerne 100 Meter. Während wir noch fasziniert die Aussicht genossen, fing die Soldatin an, in blumigen Worten über die historische Bedeutung des Paektu-san im Allgemeinen und die Heldentaten Kim Il-sungs und Kim Jong-ils im Speziellen, die selbstredend auf’s Engste mit diesem heiligen Ort verbunden waren, zu dozieren. Marko und ich hörten offen gestanden nur halbherzig zu. Zwar waren die Heldengeschichten um die beiden großen Führer der Nation durchaus unterhaltsam, doch hatten wir inzwischen schon zuviel des Guten gehört - und mit ketzerischen Frage, wie der, ob denn neben diesen zwei Superhelden auch noch andere Koreaner an der Befreiung des Landes von den Japanern und dem Wiederaufbau nach dem Koreakrieg beteiligt waren, sammelten wir bei unseren Aufpassern definitiv keine Sympathiepunkte. Wegen ähnlich provokanter Bemerkungen während unseres gestrigen Fabrikbesuchs standen wir eh schon unter einer Art Sonderaufsicht. Das wollten wir vorerst lieber nicht noch weiter eskalieren - zumal wir gerade jetzt und hier auf eine ganz bestimmte Sondererlaubnis hofften. Artig warteten wir also das Ende des Vortrages ab und wandten uns dann an Herrn Mäng mit der Bitte, den wirklichen Gipfel des Paektu-san besteigen zu dürfen. Zugute kam uns dabei die Tatsache, dass wir dank der nicht ganz freiwilligen Busfahrt zum Kraterrand deutlich vor dem offiziellen Zeitplan lagen. Nach kurzer Beratung mit seinen Kollegen erhielten wir zu unserer großen Freude das O.k. für den Aufstieg.
Paektu-san - Panorama
Da keiner unserer offiziellen Begleiter große Lust verspürte, uns bei dieser Exkursion zu begleiten, ergab sich hier ganz unerwartet eine zweite Gelegenheit, den stets wachsamen Blicken unserer Betreuer für ein Weilchen zu entrinnen. Zuvor mussten wir freilich versprechen, keinen Meter weiter als bis zum Gipfel zu gehen. Der Grund dafür war durchaus plausibel, denn kurz hinter dem Gipfelpunkt verlief die nordkoreanisch-chinesische Grenze - und diese illegal zu überschreiten hätte wohl nicht nur für uns unangenehme Konsequenzen zur Folge gehabt. Insofern war die erteilte Erlaubnis doch endlich mal ein echter Vertrauensbeweis, den uns unsere ansonsten viel zu strengen Aufpasser da entgegenbrachten !
Unterwegs zum Gipfel
Der Aufstieg zum Gipfel war steil und steinig, aber keinesfalls schwierig. Ein schmaler, an manchen Stellen kaum noch erkennbarer Trampelpfad schlängelte sich durch Fels und Geröll hinauf zur eigentlichen Spitze des Berges. Es dauerte kaum mehr als eine Viertelstunde bis wir den mit 2744 m über dem Meeresspiegel verorteten höchsten Punkt der Koreanischen Halbinsel erreicht hatten. Der Gipfelpunkt ansich war wenig spektakulär. Ein kleines gepflastertes Karree deutete darauf hin, dass hier irgendwann einmal die Errichtung eines Gedenksteins oder etwas Ähnliches geplant, dieses Vorhaben jedoch nie vollendet worden war. Das war verwunderlich - bot sich dieser Platz doch ganz wunderbar für eine Skulptur der verblichenen Idole Nordkoreas an. Immerhin diente das Abbild genau dieses Ortes, das Relief des Paektu-sans* als Hintergrund für das große Mansudae-Monument in Pjöngjang. Wie konnten dann ausgerechnet hier die Ikonen der sonst allgegenwärtigen Helden fehlen ? Das musste dringend korrigiert werden ... ;o)

(* An dieser Stelle ist es an der Zeit für einen kleinen Exkurs bezüglich der Bedeutung des Paektu-sans in der koreanischen Mythologie und in der jüngeren Historie: Von alters her galt der Paektu-san als Quell und Ursprung der koreanischen Nation. Hier fehlt ein MonumentDer Vulkan, der auch als „Ahnenberg” verehrt wurde, versinnbildlichte sowohl den Sitz der Götter wie auch den Hort der Macht koreanischer Herrscher. Auch in der aktuellen nordkoreanischen Geschichtsschreibung wird der Paektu-san oftmals als „Heiliger Berg” bezeichnet. Er gilt als Ausgangspunkt des von Kim Il-sung geführten Kampfes gegen die japanischen Besatzer. Zudem soll hier sein Sohn und Nachfolger Kim Jong-il zur Welt gekommen sein. (Letzteres wird von unabhängigen Quellen jedoch stark in Zweifel gezogen.) Wie dem auch sei - allein der Bezug auf diesen Berg ist im Kampf um Macht und Einfluss in Korea ein überaus geschickter Schachzug: Der mythische Ursprungsort der Nation, der imaginäre Kraftquell der koreanischen Kaiser - umgedeutet zur Basis und zur Wiege der neuen Herrscherdynastie ! - oder sollte das wirklich bloß ein Zufall sein ? Ein Schelm der böses dabei denkt. In offiziellen Texten werden Kim Il-sung, dessen Frau Kim Jong-suk und Kim Jong-il (der zum Zeitpunkt der Kämpfe gegen die Japaner definitiv noch ein Säugling war) oft als „die drei Heerführer vom Paektu-san” glorifiziert. Personenkult in Perfektion ! Und um den Mythos stets präsent zu halten, dient der Paektu-san auch heute noch auf ungezählten, in nahezu jedem Winkel Nordkoreas aufgestellten Abbildungen der Familie Kim als eindrucksvoller Hintergrund.)
Die Straße zum Paektu-san
Es gibt Momente die man einfach nur genießen möchte, doch genau dann scheint die Zeit regelrecht zu rennen - das war hier in Nordkorea nicht anders als im Rest der Welt. Und auch wenn uns der Aufenthalt auf dem Gipfel des Paektu-san recht kurz erschien - der Blick auf die Uhr offenbarte gnadenlos: wir hatten überzogen - Mist ! Das würde mal wieder Ärger geben. Wie zur Bekräftigung dieser Erkenntnis, donnerte in genau diesem Moment eine Steinlawine nicht allzu weit von uns entfernt die steile Kraterwand hinab. Krass ! In Windeseile traten wir den Abstieg an, doch schon auf halbem Weg kam uns Pak In-chol, der jüngste unserer koreanischen Begleiter, vom schnellen Lauf schwer atmend, regelrecht entgegen gerannt. Waren wir wirklich so spät dran, dass In-chol uns holen sollte ? Es dauerte eine ganze Weile, bis der Nordkoreaner genug Luft hatte, um uns von der Lawine zu berichten, die man offenbar auch vom Aussichtspunkt am Kraterrand gesehen hatte und die unsere Begleiter anscheinend in helle Panik versetzt hatte. Von der Ferne konnte man freilich nicht erkennen, dass das Geröll in sicherer Distanz zu unserm Standort in die Fluten des Kratersees gerutscht war. Entsprechend groß war die Erleichterung unserer sonst so distanzierten Reiseleiter, uns wohlbehalten und unversehrt zurück am Treffpunkt ankommen zu sehen. Die Amrokkang-SchluchtDass und vor allem warum wir die ursprünglich vereinbarte Zeit doch recht deutlich überzogen hatten, interessierte in diesem Moment niemanden mehr. Glück gehabt.

1300 Uhr. Nachdem sich die Aufregung um unsere glücklich überstandene Bergtour etwas gelegt hatte, mahnte Cha Man-song nachdrücklich zum Aufbruch. Über die bekannte steile, kurvenreiche Straße ging es wieder hinab auf die Hochebene und weiter südwärts, vorbei an einen hohen Wasserfall, zurück in die bewaldete Region des Changbaek-san. Unmittelbar rechts der Piste markierte eine eindrucksvolle, sich windende Schlucht - die Amrokkang-Schlucht - die Staatsgrenze zwischen Nordkorea und der Volksrepublik China. Bizarre, säulenartige Felsnadeln, in denen Kim Il-sung dereinst 1000 koreanische Soldaten erkannt haben will, flankierten diese Schlucht und verliehen ihr eine einzigartige Gestalt. Ein Aussichtspunkt direkt oberhalb der Schlucht diente uns als Rastplatz für ein spätes Mittagsessen. Herr Mäng verteilte Lunch-Pakete mit Reis, Hühnerfleisch und Kimchi die wir gemeinsam mit unseren Fahrern aßen. Kaum hatten wir unsere Rationen verzehrt, wurden wir auch schon wieder in die Busse komplimentiert. Unsere Reiseleiter hatten es plötzlich sehr eilig. Den Grund für die jähe Hast erfuhren wir nicht. Gab es möglicherweise wieder eine Reiseplanänderung ? Gedenktafel unweit von Kim Il-sungs HauptquartierUns blieb vorerst nichts anderes übrig, als abzuwarten, was uns als nächstes erwarten würde ...

Eine Halbestunde nach unserem übereilten Aufbruch von der Schlucht der 1000 Soldaten hielten die Busse auf einen kleinen Parkplatz mitten im Wald. Mit reichlich Pathos verkündete Herr Cha, wir würden jetzt jenen Ort besichtigen, den jeder Koreaner sehnlich hofft, einmal in seinem Leben besuchen zu dürfen: das Hauptquartier Kim Il-sungs während seines Kampfes gegen die japanischen Besatzer; der Ort, an dem (laut nordkoreanischer Auslegung der Geschichte) Kim Jong-il** inmitten der Wirren des Krieges das Licht der Welt erblickt haben soll. Eine junge, sehr hübsche Nordkoreanerin in Militäruniform erwartete uns bereits an einem Gedenkstein unweit des Parkplatzes, um uns mit den dramatischen Ereignissen, die sich hier um das Jahr 1942 abgespielt haben sollen, vertraut zu machen. Wieder einmal drehte sich alles einzig und allein um die Heldentaten der Familie Kim, die, wenn man der Saga Glauben schenken mochte, die Japaner mehr oder minder im Alleingang zum Teufel gejagt hatten. Klar, es gab natürlich Mitstreiter, doch die blieben stets namenlos, wurden bestenfalls mal als „Partisanen unter der Führung Kim Il-sungs” erwähnt. Die Krönung dieses unglaublichen Personenkults bildete ein großes Mosaik am Weg zur Partisanenhütte, Die Sobaeksu-Quelleein Bildnis von Kim Il-sung, seiner Frau Kim Jong-suk und Klein-Kim Jong-il - alle drei (auch das Kleinkind) in Kommandeursuniformen vor einer tief verschneiten Winterlandschaft; die Drei-Mann-Armee vom Paektu-san - einfach nur schräg !

(** Laut sowjetischer Dokumente wurde Kim Jong-il bereits ein Jahr zuvor, am 16. Februar 1941 in Wjatskoje in der Sowjetunion geboren, wo seine Eltern zu dieser Zeit ein Exilantendasein fristeten - doch das klingt halt nicht annähernd so heroisch wie eine Geburt im umkämpften Partisanen-Camp am Paektu-san.)

Nachdem die junge Frau ihren wortreichen Vortrag beendet hatte, wurden wir gebeten, einem gepflasterten Weg durch den Wald zu folgen. Der nur wenige Hundertmeter lange Pfad zum ehemaligen Hauptquartier der antijapanischen Kämpfer führte an einer Quelle namens „Sobaeksu” vorbei. Das Wasser derselben, so erfuhren wir, sollte heilende Wirkung besitzen - lag das nun an den natürlichen Mineralien des Quells oder an der Tatsache, dass auch die Familie Kim einst aus diesem Born getrunken hatte ? Um des lieben Friedens willen verkniff ich mir diese blasphemische Frage und kostete stattdessen wie alle anderen Mitglieder unserer Gruppe vom kühlen Quellwasser. Selbst die Finnen griffen zur Schöpfkelle und tranken ihren wahrscheinlich ersten alkoholfreien Schluck auf dieser Reise - es musste sich also doch um eine Wunderquelle handeln ...  ;o)
Partisanen-Hauptquartier
Zwei mustergültig renovierte und pieksaubere Blockhütten bildeten das nur wenige Wegminuten von der Quelle entfernte Herzstück des Partisanenlagers. Die Hütten durften nicht betreten werden, doch ein Blick durch die geöffneten Türen und Fenster war erlaubt. Mit zwei Holztischen und einige Bänke unter einer Öllampe sowie einem kleinen Kanonenofen in der Ecke wirkte die erste Hütte eher wie ein Dorfschulraum aus Bismarcks Zeiten. Zwei Landkarten an den Wänden und ein Bildnis des jungen Kim Il-sungs in Uniform verstärkten diesen Eindruck noch. Die zweite Hütte war mit Bastmatten ausgelegt. Einziges Mobiliar war ein niedriger Tisch, auf dem ein Fernglas, eine Pistole und einige Holzwürfel akkurat ausgerichtet lagen. Die Rückwand zierten drei Portraits der Familie Kim. In einer Ecke gab es eine Kochnische mit einigen drapierten Schüsseln, Pfannen und Kannen. Alles wirkte derart blitzsauber und aufgeräumt, dass man unwillkürlich an ein selten genutztes Ferienhäuschen der Kims, aber keinesfalls an ein Versteck ständig ums Überleben kämpfender Partisanen denken musste. Und wieder einmal fehlte jeglicher Hinweis auf andere Widerstandkämpfer. Keine Namen, keine Bilder, keine Zeugnisse von Mitstreitern Kim Il-sungs. Hinter den Hütten ragte ein markanter Felsen in die Höhe in dessen oberen Bereich drei riesige koreanische Schriftzeichen, Partisanen-Hauptquartierrot auf weiß getüncht, ins Auge stachen. Dieser Berg kam mir seltsam bekannt vor ... - Ja, genau, die ganze Szenerie, die Blockhütte vor dem Gipfel mit der rot-weißen Inschrift - das war ganz sicher eine der großen Kulissen bei der Arirang-Show in Pjöngjang gewesen ! Mäng Kyong-nam bestätigte meine Vermutung und übersetzte freundlicherweise auch gleich noch die Schriftzeichen. Und klar, wir hätten eigentlich auch selber darauf kommen können - der Felsen trug weithin sichtbar den Namen „Jong-il-Gipfel”. Was auch sonst ?! So gaaanz langsam konnte ich diese Extremform des Personenkults nur noch mit ätzendem Spott ertragen !

Gut 25 Kilometer Wegstrecke lagen zwischen Kim Il-sungs ehemaligen Hauptquartier und dem im Gedenken an die Schlacht von Musan (1939) errichteten Großmonument Samjiyŏn. So gemächlich unsere Tour durch das Changbaek-Gebirge heute Vormittag begonnen hatte, so eilig hatten es unsere Reiseleiter nun, diese Strecke zu absolvieren - was auf den schmalen, kurvenreichen Straßen so einiges von unseren Fahrern abverlangte. Eigentlich sollte das Monument am Samji-See unser nächstes Reiseziel werden, doch wie wir so ganz nebenbei von Cha Man-song erfuhren, Bronzestatue von Kim Il-sunghatte sich der Plan wieder einmal geändert (was im Nachhinein auch die plötzliche Eile seit unserem Stopp an der Amrokkang-Schlucht erklärte). Statt einer Übernachtung in Samjiyŏn sollte es nun direkt in das unweit der koreanischen Ostküste gelegene Chilbo-Gebirge gehen. Den Grund für die neuerliche Änderung des Reiseplans erfuhren wir wie üblich nicht. Die kürzeste Route zwischen dem Partisanenlager und dem Flugplatz von Samjiyŏn führte unmittelbar am Großmonument vorbei - und so ließ Herr Cha die Fahrt auf unsere Bitte hin zumindest für einen kurzen Blick auf die Anlage unterbrechen. Ähnlich wie beim Mansudae-Monument in Pjöngjang dominierte eine riesige, 15 Meter hohe Bronzefigur von Kim Il-sung den parkartigen Komplex. Allerdings stand der „Große Führer” hier deutlich jünger und in schnittiger Militäruniform mit Fernglas und Pistolentasche auf einem stilisierten Felsen. Der Platz für die riesige Plastik war propagandistisch ganz hervorragend ausgewählt: Exakt hinter der Figur ragte (genau wie beim Mansudae) eindrucksvoll der Vulkan Paektu-san in die Höhe (nur dass es hier das Original und nicht nur ein Relief war). Flankiert wurde die Anlage von weiteren Skulpturengruppen, von denen ein Trompeter, der offensichtlich gerade zum Angriff blies, ganz besonders ins Auge fiel. Eine beeindruckende Anlage, ganz ohne Zweifel, und ein weiteres beredtes Zeugnis eines devoten, ja fast schon religiösen Personenkults.

Der Flugplatz SamjiyŏnKeine drei Minuten nachdem wir das Gelände betreten hatten, wurden wir auch schon wieder zurück zu den Bussen gerufen. Mit Höchstgeschwindigkeit ging es nun zum Flugfeld. Den Sinn der Hast konnte ich offen gestanden nicht nachvollziehen - unsere Maschine würde ganz bestimmt nicht ohne uns starten. Und irgendwelche Flugpläne konnten wir wohl schwerlich durcheinanderbringen, war unsere Antonow doch das einzige Flugzeug, welches heute noch von der örtlichen Rollbahn abheben und aller Voraussicht nach in Orang landen würde. Wie dem auch sei - unsere Offiziellen hatten es eilig und uns blieb letztlich nichts weiter übrig, als mitzuziehen. Eine Viertelstunde später erreichten wir den Flugplatz von Samjiyŏn. Genau wie wir sie am Vormittag verlassen hatte stand unsere Maschine einsam auf ihrer Parkposition vor der kleinen, mit einem großen Kim-Il-sung-Bild verzierten Abfertigungshalle. Ohne Zeitverzug ging es an Bord - und kaum hatten wir die Gurte angelegt, das Chronometer zeigte 1736 Uhr, hob die AN-24 auch schon ab. Wie von unseren Begleitern angekündigt drehte der Pilot die Maschine gen Osten, Zielflughafen Orang. Aus den Bullaugen der Antonow konnten wir noch einen letzten kurzen Blick auf den Paektu-san, den „Heiligen Berg der Revolution” erhaschen, dann dominierten wieder ausgedehnte Wälder in einer bergigen Landschaft das Blickfeld.

Outer Chilbo HotelDer Flug dauerte länger als ich erwartet hatte. 1816 Uhr, 40 Minuten nach unserem Start, berührten die Räder unseres Fliegers die betonierte Landepiste nahe der Stadt Orang. Trotz der recht kurzfristigen Änderung des Reiseplans stand auch hier ein Bus für unsere Weiterreise bereit. Ein Hoch auf die Organisatoren ! Während hinter dem westlichen Horizont der glutrote Sonnenball versank, begann unsere Fahrt nach Süden, hinein in die Bergwelt des Chilbo-san, des „Gebirges der sieben Kostbarkeiten” - ein Name, der so einiges erwarten ließ. Gespannt waren wir jedoch nicht nur auf die uns erwartenden Sehenswürdigkeiten, gespannt waren wir vor allem auch auf unsere erste Unterkunft außerhalb von Pjöngjang. Und derweil wir uns für Erstere wohl oder übel noch bis morgen gedulden mussten, wurden wir bei Letzterem durchaus positiv überrascht: Nach etwas mehr als zweistündiger Fahrt hielt unser Bus vor dem idyllisch gelegenen „Outer Chilbo Hotel”. Neben einem etwas größeren Hauptgebäude bestand das Quartier vor allem aus einer von steil aufragenden Felsen und Wald umgebenen Bungalow-Siedlung. Zu zweit oder zu dritt wurden wir auf die solide gebauten Hütten verteilt. Jeder Bungalow hatte einen Aufenthaltsraum, ein oder zwei Schlafzimmer, ein Bad und eine kleine Veranda. Alles war sauber und ordentlich und mehr als ausreichend für unsere Ansprüche.

Essen im Outer Chilbo HotelNachdem wir uns häuslich eingerichtet und auch ein wenig erfrischt hatten, rief Mäng Kyong-nam zum Abendessen in die zentrale Kantine des Hotels. Das Abendmahl bestand aus einer Vielzahl kleiner Gängen, die kurz hintereinander serviert wurden. Es gab Gemüsesuppe und Reis, Rindfleischstücke, gebratene Pilze, Seetangsalat und Fisch, verschiedenes gedünstetes Gemüse, Kartoffeln und scharf eingelegtes Kimchi. Dazu wurden Tee, Wasser und koreanisches Bier gereicht.*** Für Aufsehen sorgten wieder einmal unsere finnischen Reisegefährten, die zwar von dem Essen fast nichts anrührten, es im Laufe des Abends aber tatsächlich schafften, den kompletten Alkoholvorrat des Hotels aufzubrauchen ! Zum Glück hatten wir vorgesorgt und uns rechtzeitig mit einigen Flaschen des lokalen Gerstensaftes (oder war es hier eher ein Reisgebräu ? - egal es schmeckte jedenfalls wirklich gut) auf unsere Veranda zurückgezogen, um diesen erlebnisreichen Tag würdig und mit freiem Blick auf einen wahrhaft grandiosen Sternenhimmel ausklingen zu lassen.

(*** Kurze Anmerkung zu den monetären Belangen: Wie fast alles auf dieser Reise war auch das Essen und alle nichtalkoholischen Getränke mit unserer Einreisegebühr voll abgegolten. Bezahlen mussten wir jeweils nur das zu den Mahlzeiten gereichte Bier. Eine Bezahlung in Euro war generell möglich und auch das Wechselgeld gab es in Euro zurück. Ein Geldwechsel in Nordkoreanische Won war somit nicht zwingend notwendig und aufgrund des äußerst unrealistischen Wechselkurses auch nicht wirklich angeraten. Für Interessierte schlüssle ich die Kosten der Reise am Ende des Berichts gerne noch einmal gesondert auf.)

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Bericht: Heiko Otto
Oktober 2012    

 
 
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Eine AN-24 am Flughafen Samjiyŏn Eine AN-24 am Flughafen Samjiyŏn Mit dem Bus durch das Changbaek-Gebirge Mit dem Bus durch das Changbaek-Gebirge Changbaek-Gebirge Wasserfall Der Vulkan Paektu-san Unsere Busfahrer Auffahrt zum Paektu-san Wachsoldaten am Paektu-san Inschrift am Paektu-san Unterwegs zum Gipfel Pak In-chol, Mäng Kyong-nam und eine Soldatin Eine Soldatin auf dem Paektu-san Unterwegs zum Gipfel Unterwegs zum Gipfel Hier fehlt ein Monument Hier fehlt ein Monument Abfahrt vom Paektu-san Die Straße zum Paektu-san Die Amrokkang-Schlucht Die Amrokkang-Schlucht Die drei Heerführer vom Paektu-san Gedenktafel unweit von Kim Il-sungs Hauptquartier Die Sobaeksu-Quelle Die Sobaeksu-Quelle Der Jong-il-Gipfel Partisanen-Hauptquartier Partisanen-Hauptquartier Partisanen-Hauptquartier Das Großmonument Samjiyŏn Bronzestatue von Kim Il-sung Der Flugplatz Samjiyŏn Der Flugplatz Samjiyŏn Outer Chilbo Hotel Outer Chilbo Hotel Essen im Outer Chilbo Hotel Essen im Outer Chilbo Hotel